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Interview - Hannelore Mayr über Arbeit im Familienunternehmen

Interview - Hannelore Mayr über Arbeit im Familienunternehmen

Das Fürstenfeldbrucker Softwarehaus und Familienunternehmen CIM GmbH geht auf die Übergabe an die Nachfolgegeneration zu. Gemeinsam mit ihrer Schwester Friederike Kammann wird Hannelore Mayr das Unternehmen ihrer Eltern in die Zukunft führen. Die studierte Geoökologin und Agrarwissenschaftlerin setzt dabei auf neue Organisationsformen und möchte Hierarchien im Betrieb künftig vermeiden. Wir haben sie getroffen, um über die Arbeit im Familienunternehmen, den Generationenwechsel und die Chancen von Software in der Logistikbranche zu reden. Die CIM GmbH ist Anbieter von Lagerverwaltungssoftware und gehört mit seinem System PROLAG®World zu den Innovationsführern der Branche.

 

Für viele Kinder ist es selbstverständlich, im Familienunternehmen zu arbeiten. Warum hast du bei CIM – dem Unternehmen deiner Eltern – angefangen?

Eigentlich war das Zufall, ich hatte das so gar nicht geplant. Ich war in Stuttgart, damals habe ich bereits in der IT gearbeitet, und wollte gerne nach München in ein Softwareunternehmen. Da hat es sich angeboten, bei CIM anzufangen. Immerhin ist es das Unternehmen meiner Eltern und es wäre auch schade, das nicht zu versuchen. Damals war es noch nicht klar, wie es mit der Nachfolge ist. Friederike hat schon bei CIM gearbeitet, aber ich hatte bis dahin keine Intention in die Firma einzusteigen. Ich habe einfach dort angefangen und gedacht „ich probiere es einfach aus und sonst suche ich mir etwas anderes.“ Selbstverständlich war das für mich eigentlich gar nicht. Früher hatte ich mit CIM praktisch nichts zu tun.

Du hast ursprünglich Geoökologie in Bayreuth und Agrarwissenschaften in Stuttgart studiert. Wie passt das in ein Logistik-IT-Unternehmen?

Natürlich war mein Studium thematisch sehr anders. Und es hätte mir sicherlich auch geholfen, Logistik oder etwas in der Richtung zu studieren. Aber ich glaube, was man im Studium gut lernt, ist sich selbst zu organisieren und das Leben selbst in die Hand zu nehmen. Ich habe gelernt, wie ich mir Dinge selbst aneignen kann und dass man nach dem Studium immer noch mit Kursen, Büchern, von Eltern und Kolleg*innen weiterlernt.

Seit du in der CIM bist, arbeitest du in der Qualitätssicherung. Was waren deine bisherigen Tätigkeiten?

Ich habe vor fünf Jahren bei CIM angefangen. Anfangs habe ich eigentlich nur getestet und spezifiziert. Heute teste ich eigentlich nicht mehr, leider, sondern im Rahmen der Qualitätssicherung bin ich maßgeblich mit der Spezifikation beschäftigt. Das bedeutet, dass ich die Anforderungen, die ein Kunde, beziehungsweise unsere Projektleitung hat, bearbeite. Die Problematik ist bei neuen Funktionen immer, wie man diese in die Software einbaut, ohne das bestehende System zu kompromittieren. Früher wurde bei uns gar nicht spezifiziert, da wurde in eine Systemkopie reinprogrammiert und beim Kunden wurde es ausprobiert. Weil wir aber jetzt nur noch an der Standardsoftware arbeiten, hat sich die Vorgehensweise geändert. Die Spezifikation ist umso wichtiger, weil man bei keiner oder falscher Spezifikation unglaublich viel zerstören kann. Es ist ein sehr schwieriger und problematischer Prozess, bei dem viele Fehler passieren können. Besonders, wenn der Zeitdruck von Seiten der Projekte sehr hoch ist.

Was hat sich seitdem für dich verändert?

Vor etwa drei Jahren haben wir die Herbstkonferenz durchgeführt. Das ist auch in etwa der Zeitpunkt, als die bei CIM aktiven Familienmitglieder – also meine Eltern Franziska und Fritz Mayr und meine Schwester Friederike Kammann – erstmals auf mich zugekommen sind, um die Unternehmensnachfolge aktiv ins Auge zu fassen. Wir haben dann mithilfe eines Beratungsunternehmens diesen Prozess begonnen, zunächst indem wir darüber gesprochen haben. Es ging darum, einen Weg zu finden, wie wir dieses Unternehmen überhaupt weiterführen können. Für mich war immer klar, dass dieses klassische hierarchische Führen einer Firma nicht mein Ding ist. Ich bin nicht der typische Machtmensch, ich sehe mich nicht notwendig an der Spitze des Geschehens. In der Hinsicht bin ich mit meiner Schwester Friederike auf einer Wellenlänge. Wir haben uns dann die Frage gestellt: Wie können wir unter diesen Bedingungen das Unternehmen übernehmen und weiterführen?

Du hast dich offensichtlich entschieden, dass das möglich ist. Was ist da passiert? Bist du doch zu einer Machtperson geworden?

Die Herbstkonferenz war hier ausschlaggebend. An dieser Konferenz hat ein Teil der CIM, also alle ISO-Beauftragten, mitgemacht. Davor haben wir quer durch die Firma fünfzehn Tiefeninterviews geführt, die ebenfalls richtungsweisend waren. Bei der Herbstkonferenz haben wir dann die Vision unseres Produkts und des Unternehmens formuliert. Das war ein springender Punkt. Ich war damals schon überzeugt - und bin es heute umso mehr -, dass Logistik immer notwendig sein wird. Wir haben durch unser Produkt eine unglaubliche Möglichkeit, die Logistik zu beeinflussen. Mit PROLAG®World sind wir an der Wurzel dieser kritischen Infrastruktur. Wir sind dafür verantwortlich, dass Materialfluss, Warenströme und Logistik nicht nur funktionieren, sondern effizienter und ökonomischer für unsere Kunden werden. CIM hat sehr große Kunden, die weltweit tätig sind, und zahlreiche Kunden in Deutschland und Europa, deren Logistiknetze unfassbar komplex und aktiv sind. Und hier liegt in meinen Augen einer der wichtigsten Faktoren, die mich zum Weitermachen motiviert haben. Ohne die Logistik ist unser heutiger Lebensstandard nicht denkbar, das haben wir alle spätestens in Zeiten von Corona bemerkt, als die globalen Lieferketten nicht mehr reibungslos funktioniert haben. Zugleich sind die Logistiknetze moderner Industrienationen wie Deutschland ein erheblicher Faktor in der Klimabilanz und verantwortlich für große Teile des CO2 Ausstoßes. Und hier, finde ich, haben wir eine große Gestaltungsmacht. Die Intralogistik ist das Herz sämtlicher Warenströme produzierender und transportierender Unternehmen. Wenn es uns gelingt, die Voraussetzungen für effiziente und vor allem nachhaltige Logistik zu schaffen, dann können wir als Unternehmen einen beachtlichen positiven Beitrag zur Zukunft unserer Gesellschaft leisten.

Das beantwortet aber nicht meine Frage…

Naja, aber das gehört dazu. Denn diese Vision haben wir, also die Belegschaft von CIM und die Teilnehmer*innen der Herbstkonferenz, gemeinsam entwickelt und formuliert. Die Stimmung damals war sehr besonders. Es war ein unglaubliches Engagement vorhanden und ganz viele Teilnehmer*innen haben deutlich gemacht, dass sie an das Unternehmen glauben – und mehr Verantwortung übernehmen möchten. Viele meiner Kolleg*innen stehen wirklich mit Herzblut hinter CIM und das war sehr motivierend für mich und ist es nach wie vor. An dieser Herbstkonferenz ist mir klar geworden, dass es gemeinsam mit den Menschen in diesem Unternehmen einen für mich gangbaren Weg gibt, die Firma meiner Eltern in die Zukunft zu führen. Wenn es uns gelingt, ein Gefüge zu schaffen, in dem mehr Leute Verantwortung übernehmen können, ohne diese klassischen Hierarchien mit Ellenbogen-Mentalität, dann kann ich mich durchaus an der „Spitze“ dieser Firma sehen. Sofern man davon dann noch sprechen kann.
Um also zurück auf die Frage zu kommen, was sich seit meiner Anfangszeit bei CIM verändert hat. Wir haben uns seit der Herbstkonferenz aktiv darum bemüht, die Voraussetzungen für eine Selbstorganisation zu schaffen. Was meine persönlichen Tätigkeiten angeht, da bemerke ich schon, dass ich seitdem meine Eltern stärker unterstütze. Ich versuche, in gewissen Bereichen mehr Verantwortung zu übernehmen. Das nimmt natürlich viel Zeit in Anspruch. Ich bin mittlerweile in wahnsinnig vielen Besprechungen und bemerke, wie ich mich immer stärker in der Firma engagiere. Das ist sicher auch meiner Art geschuldet, dass ich Dinge lieber anpacke und Sachen mache, wenn ich sehe, dass etwas getan werden muss.

Was sind denn die Nachteile und Vorteile, die du bei der engen Zusammenarbeit mit Familienmitgliedern siehst?

Ich fange mit den Vorteilen an. Ein klarer Vorteil ist, dass ich meine Eltern immer anrufen kann und sie immer ein offenes Ohr haben. Und wenn ich irgendwelche Probleme in der Firma habe, wenn ich irgendetwas nicht genau weiß oder nicht weiß, wie ich damit umgehen soll, dann geben sie mir immer Ratschläge. Sie sagen, was aus ihrer Sicht das richtige zu tun wäre. Aufgrund der Zusammenarbeit habe ich zudem ein anderes Verhältnis zu meiner Schwester und meinen Eltern gewonnen. Ich bin mittlerweile sehr eng mit allen dreien, wir telefonieren täglich oder ich sehe sie täglich. Wir reden über viele Sachen, diskutieren darüber und versuchen, den optimalen Weg zu finden. Die Beziehung hat sich in dieser Hinsicht sehr gewinnbringend entwickelt. Das liegt natürlich auch daran, dass wir vier im Sinne der CIM handeln wollen und das Unternehmen erfolgreich in die Zukunft bringen möchten. Natürlich gibt es Konflikte. Also wenn ich anderer Meinung bin, dann streiten wir schon mal. Aber meistens finden wir einen Weg. Das Thema Unternehmensführung und Selbstorganisation ist da geradezu paradigmatisch. Das ist ein ziemlicher Wandel in der CIM, da die Führungskultur, die meine Eltern jahrelang gepflegt haben, deutlich mehr Verantwortung für sie bedeutet hat. Ich meine das ganz wertfrei, aber die Belastung war da zeitweise sicherlich sehr hoch. Aber da für Friederike und mich die Selbstorganisation des Unternehmens der Weg in die Zukunft ist, konnten wir um diese Auseinandersetzung nicht herumkommen.

Konntet ihr euch denn auf ein Zukunftskonzept einigen?

Ja, wir haben da sehr viel geredet und diskutiert – und uns schließlich auch geeinigt. Es ist erstaunlich, weil das mittlerweile eine gemeinsame Arbeit mit meinen Eltern an der Zukunft ist.
Nun noch zu den Nachteilen: Gerade bei Familientreffen oder wenn ich „privat“ bei meinen Eltern bin, dann ist das Thema „Firma“ sehr präsent. Das ist klar, weil wir alle daran arbeiten und es uns sehr wichtig ist. Aber man muss sich manchmal aktiv daran erinnern, dass es andere wichtige Bereiche im Familienleben gibt, über die man reden sollte und die eine Rolle spielen. Da nimmt die Firma gelegentlich überhand. Ein weiterer Nachteil, denke ich, ist das Rollenverhältnis Kind-Eltern bei der Übertragung von Verantwortlichkeiten und Tätigkeiten. Das ist durchaus ein Hindernis. Ich habe den Eindruck, dass meine Eltern einen Schutzmechanismus gegenüber uns Töchtern haben, wenn sie glauben, dass das eine oder andere zu stressig oder zu belastend für uns sei. Denn solche Tätigkeiten gibt es selbstverständlich auch in einem mittelständischen Betrieb. Aber das trifft nur auf manche Bereiche zu, zumindest ist das mein Eindruck.


Was gefällt dir am besten in der CIM?

Das Engagement und der Zusammenhalt der Kolleg*innen. Gerade das Miteinander in der Firma zeigt sich in der Arbeit mit unserem Produkt PROLAG®World. Das ist etwas sehr Besonderes, weil jede*r Einzelne, der*die daran arbeitet, mit Leib und Seele hinter dem Produkt steht. Ich finde, das spricht für PROLAG®World. Aber das Tolle ist, dass dadurch eine große Hilfsbereitschaft zwischen den Kolleg*innen entsteht. Denn jede*r hat einen anderen Blick oder einen anderen Schwerpunkt darauf und man hilft einander, Dinge zu verstehen. Wenn es auf Inbetriebnahmen zugeht, dann spüre ich immer wieder die Lust und Freude, die die ganze Firma daran hat, den Kunden mit PROLAG®World auf seine Reise zu schicken. Da ist ein enormer Zusammenhalt vorhanden, finde ich. Und dann sind da natürlich noch unsere CIM-Gruppen, von denen es mittlerweile über zwanzig Stück gibt. Da bringen sich Mitarbeiter*innen aus allen Bereichen ein, um gemeinsam an CIM zu arbeiten.



Autor:

Korbinian Mayr-Kennerknecht ist Autor und freier Journalist. Seit geraumer Zeit beobachtet er die neuesten Entwicklungen auf dem Logistik-Software-Markt. Regelmäßig recherchiert und schreibt er über Branchenspezialisten im Softwarebereich und folgt damit einem tiefergehenden Interesse, das seit seinem Studium besteht.

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