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Interview - Franziska Mayr über Unternehmertum und Risiken in der Softwarebranche

Interview - Franziska Mayr über Unternehmertum und Risiken in der Softwarebranche
Franziska Mayr ist Mit-Inhaberin und stellvertretende Geschäftsführerin der CIM. Als Ehefrau unseres Gründers, Mutter von fünf Kindern und ehemalige Intensivkrankenschwester hat sie den Quereinstieg gemeistert. Seit ihrem Einstieg in das Management des Familienunternehmens sind wir zum bedeutendsten Entwickler von Intralogistik-Software aufgestiegen. Im Interview mit Franziska Mayr sprechen wir über Unternehmertum, Risiken in der Softwarebranche und den Weg in die Selbstorganisation.

Frau Mayr, Sie sind fünffache Mutter, haben als Krankenschwester auf der Intensivstation gearbeitet und sind nun geschäftsführend in einem Softwarehaus tätig. Wie passt das zusammen?

Das passt sehr gut zusammen, wenn man in Betracht zieht, dass mein Mann sich 1985 selbstständig gemacht hat. Zu dem Zeitpunkt haben wir gerade unser drittes Kind bekommen. Ich habe mit der Geburt der ersten beiden Kinder – Zwillinge – das Arbeiten aufgehört und bin zu Hause geblieben, um mich um Erziehung und Haushalt zu kümmern. Die Selbstständigkeit meines Mannes hat dann die Situation etwas komplizierter gemacht. Junge Unternehmen, Start-Ups, sagt man ja heute, bringen gerade in den ersten Jahren eine extrem hohe Arbeitsbelastung mit sich. So etwas ist für eine junge Familie durchaus schwierig. Aber da bleibt dann auch keine Wahl und wir haben uns zusammen entschieden, dass das klappen kann. Dass es dann verhältnismäßig kompliziert wurde, das war vorher nicht so absehbar.

Kompliziert, inwiefern?

Naja, die Neuprogrammierung von einer Software das erste Mal, wenn man das so macht, das ist halt nicht gerade einfach. Mein Mann hat praktisch nur gearbeitet – einen anderen Zustand gab es in den ersten Jahren kaum. Klar, mit vielen Sorgen und auch mit Investitionen. Die Computer damals waren wahnsinnig teuer, dann hat die Firma Mitarbeiter benötigt, die bei der Programmierung aushelfen – das waren zu Beginn noch Studenten. Das geht dann sehr schnell in eine Richtung, wo man weiß, dass man sich verschuldet. Es bleibt dann auch keine andere Wahl mehr, aus dem Ganzen rauszukommen.

Sie hatten auch Zweifel?

Was heißt Zweifel. Wir hatten eben zu Beginn dieselben Schwierigkeiten, die man später als große Firma auch hat. Es gibt immer Kunden, die beispielsweise nicht zahlen möchten. Es gibt Fehler, die passieren und die Zeit und Geld kosten, um sie wieder auszubügeln – das haben wir heute auch noch. Es war eben auf deutlich weniger Schultern verteilt – nämlich vor allem auf denen meines Mannes und damit auch auf unserer Ehe und mir. Aber ich erinnere mich an vieles schon gar nicht mehr, das habe ich wahrscheinlich verdrängt. (lacht).
Zu den Zweifeln: Das würde ich so nicht behaupten. Es war eben schwierig. Wenn man eine Softwarefirma hat, dann hat man von Beginn an die Wahl: Entweder man programmiert oder man vertreibt. Und beides parallel zu machen, das war eine große Anspannung. Wir hatten wirtschaftliche Sorgen und es gab viele Dinge, die erst anlaufen mussten. Wir haben damals ganze Nächte diskutiert über Sachen, die gemacht oder verändert werden müssen. Das sind Hürden, die eben erstmal überwunden werden müssen. Das kostet Kraft, macht einen im Nachhinein aber auch stärker.

Waren Sie damals also auch schon stark involviert?

Nicht im Arbeitsalltag, ich musste mich um die Kinder kümmern. Damals gab es noch keine Teil- oder Vollzeitbetreuung, wie wir das heute kennen. Was das strategische Management, die Organisation und vor allem die Herausforderungen anging, ja da war ich schon stark involviert. Wir haben das dann aber auch relativ bald hinter uns gehabt. Im Bereich der Lagerverwaltungssysteme gab es damals nicht so viel Konkurrenz – und das System, das Fritz (Anm. d. Red.: Fritz Mayr, Geschäftsführer von CIM) programmiert hat, hatte enorme Vorteile gegenüber den bestehenden Systemen. Wir hatten dann schon bald sehr renommierte Kunden. Große IT-Hardware-Produzenten, Papierfabrikanten und Schokoladenfabrikanten waren da unter anderem dabei.

Wie hat sich die Firma nach den ersten Jahren denn entwickelt?

Fritz hat sich nach den ersten Projekten vor allem auf die Vertriebstätigkeit konzentriert, während die Projektarbeit dann schon Projektleiter gemacht haben – meistens im Team. Haupttätigkeit des Projektteams waren die Installationen. Man weiß ja nie, was da passieren wird. Softwareinstallationen in dieser Größe waren damals ein Risiko. Dieses Risiko zu minimieren ist auch heute unsere größte Herausforderung und unsere zentrale Tätigkeit. Man geht davon aus, dass nur 40% der WMS-Installationen überhaupt erfolgreich abgeschlossen werden. Da haben wir heute eine sehr viel bessere Quote im Unternehmen erreicht. Das gelingt vor allem durch Vorbeugung und frühzeitiger Erkennung von Risiken.

Wie genau kann man sich das vorstellen?

Jeder Kunde bringt ein gewisses Set an Eigenheiten, Problemen und Anforderungen mit, mit denen wir – beziehungsweise unsere Software – konfrontiert werden. Intralogistik-Software muss sehr stark mit den Geschäftsprozessen der jeweiligen Unternehmen abgeglichen werden. Wir müssen damit umgehen lernen, mit diesen Eigenheiten und Vorstellungen ein System aufzubauen, installieren und es so gestalten, dass es letztlich funktioniert. Dafür ist aber auch ein hohes Maß an Kommunikation und Abstimmung mit dem Kunden nötig. Wir sind in dieser Hinsicht kein simpler Dienstleister im Sinne eines Lieferanten. Ich vergleiche das immer mit einer Küche, die mir ein Dienstleister neu einbaut – mit allem, was dazu gehört: Geschirr an der richtigen Stelle, das Spülbecken, das ich mir vorstelle, der Herd genau so wie ich immer kochen möchte. Das geht nicht ohne eigenes Engagement. Man muss dann eben dem Dienstleister erklären, wie man kochen möchte, dass das so realisiert werden kann. Viele meinen, man nimmt einen Dienstleister und dann passt das alles so, wie man das wollte. Dabei kennt der ja weder den Kunden, noch die Prozesse, die er möchte und die er sich auf eine spezielle Art vorstellt. Das ist die Kunst unserer Projektleiter, dass sie das dann hinbekommen. Die arbeiten sich ein, lernen den Kunden kennen, verstehen ihn und gießen die Bedürfnisse letztlich in ein System. Wir versuchen die Unterstützung zu leisten, die man leisten kann für diese Tätigkeit. Und je besser die Zusammenarbeit zwischen Kunden und Projektleiter läuft, desto geringer das Risiko bei der Projektabwicklung. Aber es gibt natürlich Faktoren, die man beeinflussen kann, um das Risiko unabhängig von der Projektleitung zu minimieren.

Was sind das für Faktoren?

In der Projektleitung hat sich schon sehr viel verändert. Es war zwischen 1990 und 2000, dass die Projektleiter das Programm in C selbst weiterentwickelt haben und an die Kunden angepasst haben. Das hat gut funktioniert, unsere Teams waren sehr schlagkräftig. 2000 wurde das System in neuester Softwaretechnik programmiert und die Standardisierung verstärkt vorangetrieben. Ab 2010 war es nicht mehr nötig, dass die Projektleiter selbst programmieren müssen, das übernahm ab diesem Zeitpunkt die Entwicklungsabteilung. Natürlich können die erfahreneren Kollegen nach wie vor programmieren, was hilfreich sein kann, aber nötig ist das nicht mehr. Wir wollen und müssen uns im Standard bewegen und Eingriffe im Standard werden nur noch durch die Entwicklungsabteilung durchgeführt – das Risiko der Projektabwicklung wird durch die Standardisierung erheblich reduziert.

Nochmal zurück zu Ihnen. Sie kennen das Unternehmen so gut wie fast sonst niemand. Wann haben Sie in der Firma angefangen?

Das war Anfang der 2000er Jahre. Die Kinder waren dann in der Schule und ich konnte mehr Zeit aufwenden, um Themen in der Firma zu übernehmen. Ich habe dann zunächst in der Buchhaltung angefangen, organisatorische Abläufe optimiert und so weiter. Das Stempelsystem war beispielsweise sehr kompliziert damals, das musste erneuert werden. Da ich jemanden für die Buchhaltung eingestellt habe, konnte ich mich dann schon bald um ein weitaus zentraleres Thema kümmern: Das Controlling.

Hatten Sie damit zuvor jemals Kontakt?

Haushaltsführung benötigt ja auch eine Art von Controlling (lacht). Aber ich habe mich sehr intensiv eingearbeitet. Ich habe einige Kurse bei der IHK in München gemacht und Bücher zu dem Thema gelesen. Ich bin ja sehr pragmatisch, ich habe das genommen, was wir benötigt haben, um die Organisation im Unternehmen zu verbessern. Die Einführung eines Controllings – damals hatte das Unternehmen so um die 20 Mitarbeiter – hat viel gebracht. Es ging vor allem darum, die Projekte aus der Zahlenperspektive zu überwachen. Das ist eine Tätigkeit, die ich übrigens sehr lange selbst gemacht habe. Mittlerweile habe ich das übergeben.

Fünffache Mutter, gelernte Krankenschwester – und dann gehen Sie ins Controlling?

(Lacht wieder). Ich habe getan, was man benötigt hat. Aber ich bin auch ein sehr vielseitiger Mensch. Mir hat die Arbeit mit den Zahlen immer Spaß gemacht. Andererseits war ich auch sehr gerne in der medizinischen Pflege tätig.

Sie haben Intensivkrankenschwester gelernt, richtig?

Ja. Zunächst Krankenschwester in der Inneren, später habe ich auf der Dialyse in München gearbeitet - bei einem sehr renommierten Professor im Bereich der künstlichen Niere. Als Schwester habe ich übrigens sehr gern gearbeitet. Die Arbeit hat Spaß gemacht, auch die Arbeit mit den Patienten. Ich komme von einem Einödhof– und Krankenschwester war für mich auch ein Weg, um mich unabhängig von Daheim zu machen. Aber man bekommt viel zurück. Das prägt in einem gewissen Sinne die Persönlichkeit. Man bekommt ein Gespür für die Menschen, mit denen man arbeitet. Vermutlich hat mich diese Zeit schon auch im Umgang mit unseren Mitarbeiter*innen geprägt. Häufig ist es eben auch Verhandlungssache, ob jemand nun noch diese oder jene Tätigkeit macht. Am Schluss ist es überall so, dass es ein Abwägen ist, was man wirklich einfordert und von welchen Dingen man Abstand nimmt.

Sie haben also gesehen, was getan werden muss und wohin die Firma gehen muss?

Ja, da muss man die Leute hinbringen. Das verrückte ist, wenn man anfangen möchte als Unternehmer zu arbeiten oder einfach Projekte oder Dinge plant, dann stellt man bald fest: Wenn man die Dinge klar vorgibt, dann wird das eher gemacht, als wenn man keine klaren Vorgaben macht.

Das steht dem Thema Selbstorganisation, wie es gerade in der CIM umgesetzt wird, eher entgegen, oder?

Ich finde die Selbstorganisation des Unternehmens gut. Das ist der richtige Weg. Wir haben schon immer versucht, die Mitarbeiter*innen mit möglichst wenig Vorgaben zu führen. Möglichst reduziert mit flachen Hierarchien. Aber es ist auch so, dass man gewisse Rollen einnimmt, die einem dann wieder von den Mitarbeiter*innen zugeschrieben werden. Da heißt es dann häufig: „Das war eine Vorgabe der Chefin.“ Das höre ich manchmal noch Jahre später. Im Bezug auf die Selbstorganisation ist hier eine klare Handlungsanweisung für mich persönlich versteckt: Ich muss aufpassen, dass ich mich nicht zu viel einklinke. Einfach, weil meine Rolle mit Gewohnheiten belegt ist – mit meinen eigenen Gewohnheiten genauso wie mit denen meiner Mitarbeiter*innen. Das fällt mir persönlich schon schwer, gebe ich zu. Jetzt kann ich nicht mehr sagen: Das funktioniert nicht, jetzt machen wir es anders. Sondern es wird nun erstmal im Kreis besprochen. Ich finde das total wichtig und zeitgemäß. Die Firma ist zu groß, um ohne durchdachte Strukturen zu funktionieren – es würden sich Hierarchien etablieren. Das ginge gar nicht anders. Eine Geschäftsführung alleine kann das Management nicht mehr stemmen. Aber warum sollte es nicht mit Selbstorganisation funktionieren? Wir haben Demokratie an jeder Stelle. Warum muss ich eine Hierarchie zwischen Personen einführen?
Im Übrigen finde ich nicht, dass das gegen klare Leitlinien und Vorgaben spricht. Der Unterschied ist, dass die Entscheidung für eine Leitlinie nicht mehr nur von einem einzelnen getroffen wird, sondern von einer Gruppe aus Verantwortlichen. Der Einzelne muss lernen ein Stück weit loszulassen. Man kann Vorgaben machen, aber die Mitarbeiter*innen werden dann einen Weg finden, wie das Ziel erreicht wird. Dahinter steht der Gedanke, dass Entscheidungen, die im Team getroffen werden, letztlich genauso gut oder sogar besser sind als die Entscheidungen einzelner.

Noch eine abschließende Frage: Welchen Anwendungsbereich hätten Sie sich für PROLAG World schon immer gewünscht?

PROLAG World als System im Haushalt (lacht). Das hätte ich gut gefunden. Als Großfamilie kann die Vorrats- und Lagerhaltung durchaus komplexe Züge annehmen. Aber am Schluss lohnt es sich nicht. Irgendjemand muss ja scannen und sehen, dass die Inventur immer gemacht wird. Die Gedächtnisleistung ist da einfacher und effizienter, auch wenn einem Fehler unterlaufen oder es gelegentlich nervt. Ein Lager dagegen ist dafür zu komplex: Eine Logistikfachkraft kann über 30.000 Lagerplätze unterscheiden. Zum Vergleich, der aktive Wortschatz des Durchschnittsdeutschen beträgt zwischen zehn- und fünfzehntausend Wörtern, höchstens. Es sind also enorme Anforderungen an die Mitarbeiter*innen in einem Logistikbetrieb, wenn kein System vorhanden ist. Bei 30.000 Lagerplätzen sind sich aber die Artikel schon häufig sehr ähnlich – da bekommt selbst eine starke Gedächtnisleistung ihre Probleme. In einem Haushalt hat man maximal 1.000 Lagerplätze. Ich selbst setze da lieber aufs Gehirn.

Vielen Dank, Frau Mayr für dieses aufschlussreiche und interessante Interview.

Bitte, sehr gerne.

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