Das Interview behandelt die wichtigsten Themen des Jahres 2022 – von Künstlicher Intelligenz über Corona, die Energiekrise bis hin zum Trend der Automatisierung und die Zukunft von PROLAG World.
Herr Mayr, Sie sind seit 1985 im Intralogistik-Software-Bereich tätig. Gewissermaßen gehören Sie zu den Veteranen der Branche. Wie haben sich die Intralogistik-Systeme in Ihren Augen seitdem verändert?
Zunächst, was sich kaum verändert hat: die Anforderungen der Kunden. Wenn ich an die Systeme denke, die wir in den 80er Jahren geliefert haben, dann sind die Anforderungen durchaus ähnlich, wie die heutigen Systeme auch. Nur, dass sie nicht grafisch waren, deutlich weniger Algorithmen hatten und es wurden weniger Daten übertragen. Außerdem waren die Technologien deutlich langsamer und einfacher. Aber einen Bildschirm auf dem mannbedienten Regalbediengerät gab es damals auch schon. Ein wesentlicher Einschnitt war dann sicherlich das Aufkommen des Internets, Anfang der 90er Jahre. Das hat ab 2000 dann richtig durchgestartet, sodass man mehr Daten schneller übertragen konnte. So konnten wir schon bald die ersten SaaS Systeme einführen. Der Kunde loggt sich ein und hat sofort eine Lagerverwaltung. Das kam 2004.
Was man insgesamt sagen kann: Die Automatisierung hat in der Zeit – ab 2010 – wesentlich zugenommen. Es werden jetzt im Verhältnis deutlich mehr automatische Lager gebaut, als wir früher ausgestattet haben. Gerade wenn es um Einsparungen geht, wird das vollautomatische Lager für viele Unternehmen heute attraktiv. Deshalb wird heute stark in die Automatik investiert. Noch ein Unterschied zu früher: die besseren Bedieneroberflächen. Die Nutzung wird einfacher, die Einarbeitungszeit geringer, die Arbeit leichter – durch einfachere Oberflächen und eine intuitive Arbeitsweise.
Wie verändert sich die Nutzung von einem WMS in Zukunft?
Die Grundlage für die logischen Entscheidungen, die ein WMS trifft, die findet man heute in den Stammdaten. Dort ist hinterlegt, welche Anforderungen ein Artikel hat, Größe, Gewicht, welche Artikel häufig zusammen kommissioniert werden und welche Kommissioniertechnik verwendet wird. Diese Daten müssen so gepflegt sein, dass das System bestmöglich entscheiden kann, welchen Lagerplatz es nimmt, welcher Weg der kürzeste ist - das geht alles aus den Stammdaten hervor. Die regelmäßige Überarbeitung und Pflege dieser Daten sind ein sehr arbeitsintensiver Vorgang. Wer das gut macht, kann hier jedoch wirkliche Effizienzgewinne in der Lagerhaltung generieren. Erfahrungsgemäß sind die Stammdaten aber die Schwachstelle in den meisten Unternehmen.
In Zukunft wird es eine Technologie geben, die die Pflege dieser Stammdaten im Grunde überflüssig macht – die künstliche Intelligenz. Sie lernt aus den Fehlern, die sie macht und pflegt dadurch die eigenen Stammdaten. Die sehen natürlich nicht mehr so aus, wie die Stammdaten, die ein Mensch einträgt. Sondern das sind Lerneffekte – und durch dieses Lernen weiß das System dann, wo welcher Artikel bestmöglich liegen muss. Künstliche Intelligenz wird uns dazu bringen, dass wir weniger administrieren müssen und dass die Systeme ganz selbstverständlich immer das Richtige tun.
Das klingt ein bisschen utopisch…
Ja, das ist vielleicht auch utopisch. Aber das ist das Ziel. Es sind wieder Algorithmen, die dahinterstecken, die Art der Programmierung verändert sich vollständig und der Simulation kommt eine höhere Bedeutung zu, weil die Systeme zuerst aus der Simulation ein Grundwissen erlernen müssen. Die Aufgabenstellung ist ganz anders und die Ergebnisse sind zu Beginn nicht immer eindeutig nachvollziehbar. Aber das wird mit der Zeit natürlich immer besser. Wir sind hier ja am Anfang – das muss man so sehen. Ja, KI ist in aller Munde, aber im Grunde steckt die Technologie noch in den Kinderschuhen.
»KI ist bei CIM schon gelebter Alltag«
Wird künstliche Intelligenz also ein Game-Changer wie das Internet?
Ja, ich denke das ist schon vergleichbar. Wir merken die Veränderung von außen gar nicht, weil das System einfach funktioniert. Jetzt, also heutzutage, müssen wir richtig was tun, damit das System das tut, was es tun soll. Wir müssen die Lagergenerierung machen, ABC-Kriterien festlegen, mit Chargenverwaltung oder ohne, Multi-Order-Picking – diese Daten oder Vorgänge müssen wir festlegen und zuvor bestimmen. Wie wird kommissioniert? Zweistufig oder einstufig? Das hängt von der Auftragszusammensetzung ab. Das macht heute ein Berater oder ein guter Administrator, der sich in seinem System gut auskennt. Der stellt das alles ein. Eine Intralogistik ist so komplex, dass es ohne Intelligenz hinter der Steuerung nicht funktioniert. Künftig macht das alles das System selbst. Nur, dass das nicht leicht zu erreichen ist. In der klassischen Programmierung werden Logiken implementiert, die aus der Analyse heraus entstanden sind. Die KI muss diese Erfahrung erst sammeln. Das ist eine faszinierende Technik.
CIM kooperiert in diesem Bereich unter anderem mit KI-Forschern der TUM. Gibt es hier bereits Ergebnisse?
Es gibt viele Tests, die sind wirklich vielversprechend. Da funktioniert der Lerneffekt und die simulierte Intralogistik gewinnt erheblich an Effizienz. Es zeichnet sich bei uns ab, dass die Anwendung von Künstlicher Intelligenz im Warehouse-Management definitiv kommen wird. Deshalb haben wir neben dem laufenden Projekt gemeinsam mit der Technischen Universität München (TUM) auch schon zwei weitere Forschungsprojekte in den Startlöchern. Ich bin sehr zuversichtlich und unsere Leute sind hier an der vordersten Front in der praktischen Umsetzung: Wir haben unser KI-System bereits bei einem Kunden in einer Testumgebung implementiert. Künstliche Intelligenz wird also nicht nur kommen, sondern KI ist bei CIM schon gelebter Alltag.